Gastbeitrag: Franziska Meyer
Wie sich jetzt, zum Ende der ersten Jahreshälfte 2020 und drei Monate nach dem ersten positiven Corona-Fall in Berlin zeigt, hat die Ausbreitung des COVID-19 Virus in Deutschland und Europa zu drastischen Einbrüchen in der Geschäftstätigkeit der Handwerksbetriebe geführt. Betriebsabläufe und Strukturen mussten angepasst werden, um Herr der Lage zu bleiben und um Unternehmen und Arbeitsplätze maximal zu schützen. Eine Situation wie Corona hat keine Führungskraft jemals ansatzweise erlebt oder gar erdacht. So trugen auch Geschäftsführer vieler Handwerksunternehmen in Berlin und Brandenburg persönliche Versagens- und Existenzängste mit sich herum. Einerseits mussten sie Ruhe bewahren und andererseits mit eigener Kraft die aktuell wichtigen Dinge vorantreiben. Bis heute hat das Handwerk in der Krisenzeit länger als die Industrie an seinen Mitarbeitern festgehalten und diese nicht entlassen.
WHdI – 23 Berliner und Brandenburger Innungen zeigen Gemeinschaftssinn & Solidarität
Der Berliner Verein WHdI „Wenn Handwerk – dann Innung“,
der aktuell 23 Haupt-Handwerksinnungen als Mitglieder verzeichnet,
besann sich darauf, in Krisenzeiten zwei wichtigen Dingen Bedeutung zu
schenken: Gemeinschaft und Solidarität. Wo es geht unterstützten sich
die Innungsgeschäftsführer untereinander per digitaler Chat-Plattform
oder Video-Konferenzen, um die täglich wachsende Flut von Informationen –
vor allem im März/April, die anfangs eine enorme Herausforderung
darstellte – zu bündeln. Ganz gleich ob es dabei um das Beantragen des
Kurzarbeitergeldes, finanzieller Hilfen oder steuerlicher Entlastung
ging.
Der WHdI-Verein kommunizierte die Interessen und Anliegen der Innungen auch in Richtung Politik. Bezugnehmend darauf fand Anfang Mai ein Gespräch mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller unter geltenden Hygiene- und Abstandsregeln im Roten Rathaus statt.
15 Geschäftsführer bzw. Obermeister Berliner Handwerksinnungen trugen ihre Sorgen und Nöte vor. Die Sicherung von Auszubildenen, der Rückbau des Individual-Verkehrs (Corona-Radwege) sowie das Vergabeverfahren, bzw. Genehmigungsverfahren waren nur einige der Haupthemen, welche Bürgermeister Müller gegenübergestellt worden sind.
Gewerke wie
Dachdecker, die sowieso in räumlicher Distanz zum Kunden arbeiten, haben
die Corona-Krise nicht so intensiv zu spüren bekommen, bestätigt die
Landesinnung des Dachdeckerhandwerks Berlin in einem der zahlreichen
visuellen WHdI-Meetings. Zudem würden Betriebe häufig Aufträge
ausführen, die bereits aus der Zeit weit vor Corona stammen.
Überhaupt hätte man gedacht, das Handwerk profitiere von der Krise. Doch
Gewerke, die unmittelbar mit dem Kunden in Kontakt kommen, etwa durch
persönliche Beratungen wie der Elektriker oder Raumausstatter, hätten
schnell die Auswirkungen in den Auftragsbüchern gespürt. Zum Teil auch
nachvollziehbar, wollten Privatleute in einer Zeit, in der alle zu Hause
bleiben sollen und keinen Kontakt zu anderen Menschen suchen, nicht
Handwerker ins Haus holen, wenn es vermeidbar war.
Die Bäcker mit Cafés haben es bis heute schwer. Dafür überlebten viele kleine Bäckereien, da die Kunden im Homeoffice, der wohl prominentesten Corona-Maßnahme, nun direkt vor der Haustür kaufen.
Am schwersten hat es das Friseurhandwerk getroffen. Die Schließungen aller Friseursalons kam im März sehr plötzlich. Die meisten mussten Kurzarbeit anmelden und versuchen aktuell seit der Wiedereröffnung Anfang Mai, weiter zu machen. Ganz sicher wird sich erst in ein paar Monaten zeigen, ob Corona Existenzen zerstört hat oder nicht. Interessanter Weise hat der Shutdown gezeigt, welchen Stellenwert Friseure und Kosmetiker für die Gesellschaft haben.
Der Umgang mit Corona scheint Alltag geworden
Arbeiten im Innenbereich oder am Haus rücken wieder langsam in den
Vordergrund. Die anfängliche Unsicherheit der Kunden, die zu Beginn der
Corona-Krise dazu führte, dass viele Termine verschoben wurden, ist zum
Teil mittlerweile wieder abgeflaut. Jetzt sei, im Gegenteil, sogar ein
positiverer Trend spürbar. Offensichtlich hat auch die Digitalisierung
im Zuge der Corona-Krise in Deutschland einen Schub erlebt. Man könnte
damit rechnen, dass sich dieser Trend fortsetzt und Verbraucher*innen
vermehrt online nach Dienstleistungen suchen.
Im Handwerk schlägt das Herz für Ausbildung
Azubis befinden sich angesichts der Corona-Krise in einer Art
Warteschleife. Auf Grund der weiterhin bestehenden Einschränkungen
fallen nach wie vor alle Präsenzveranstaltungen und Ausbildungs-Börsen
für sie weg. Auch die Beratungsangebote der Handwerkskammer Berlin
liefen auf Grund des Virus auf Sparflamme, wie der Hauptgeschäftsführer
Jürgen Wittke in einer Video-Konferenz den WHdI-Mitgliedern Anfang Juni
2020 bestätigte. Er nahm ein virtuelles Meeting zum Anlass, sich kompakt
über die Azubi-Situation in den einzelnen Innungsfachbetrieben zu
informieren.
In Zusammenarbeit wird nun gegen den „Jahrgang Corona“ vorgegangen. Die meisten Azubis sollen über den Sommer rekrutiert werden. Keinem soll das Gefühl vermittelt werden, ein Jahr zu Hause bleiben zu müssen. Gegenmaßnahmen werden daher verstärktere Online-Vermittlung, Social-Media-Präsenz und ein Info-Mobil sein. Dieses mobile Gefährt soll zum ersten Mal an öffentlichen Plätzen, wie Freibäder und ähnlichem, zum Einsatz kommen. Überall dort, wo sich die Schulabgänger in ihrer Freizeit am liebsten aufhalten, könne in einer Vor-Ort Vermittlung direkte Stellenangebote unterbreitet oder Kontakt zu Elternteilen gesucht werden.
Selbst in der Krisenlage sind die Handwerksbetriebe, laut unserer aktuellsten Umfrage in den Innungen, bereit, künftig gleich viele oder sogar mehr Azubis auszubilden. Wenn auch bei einigen Betrieben eine Unsicherheit zu spüren ist, was zukünftige Planungen angeht. Deshalb werden jetzt interne Motivationsschübe oder die von der Allianz für Aus- und Fortbildung ins Leben gerufene „Corona-Prämie“ für Ausbildungsbetriebe eine große Rolle spielen. Nur so könne es gelingen, dass Berlin und Brandenburg mit nur geringfügig weniger neuen Ausbildungsverträgen in das neue Ausbildungsjahr 2020/21 startet.
Der Verein „Wenn Handwerk – dann Innung“ ist sich sicher: „Wir werden die Krise weiterhin gemeinsam meistern. Hoffen wir auf eine baldige Rückkehr in den Alltag und auf eine konstante Gesundheit!“