Weniger ist manchmal mehr: Neukölln greift ein Konzept aus den 80er Jahren neu auf, und reduziert den Maschineneinsatz mit Mähmaschinen. Viele Grünflächen und naturnahe Flächen rund um Pfuhle werden künftig nur noch mit einer „einschürigen Mahd“ gepflegt.
Neukölln wird so im Jahr 2022/2023 die bezirkseigenen Flächen verdoppeln, die nur noch einmal im Jahr gemäht werden.
Jochen Biedermann, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Umwelt und Verkehr, stellte das Vorhaben vor:
„Über Biodiversität wird viel gesprochen, der Bezirk Neukölln handelt. Wir prüfen genau, an welchen Stellen wir einen Beitrag in unseren Grünanlagen leisten können. Mit der Verdopplung der Flächen für die einschürige Mahd in diesem Jahr geben wir der Stadtnatur mehr Freiraum.“
Stärkung von Biodiversität und Artenreichtum
Mit dieser auf den ersten Blick kleinen Maßnahme fördert Neukölln auf rund 22,3 Hektar die Biodiversität. Zunächst handelt es sich um viele kleinere Flächen aber auch um größere wie das Rudower Fließ und den Südpark. Im nächsten Jahr erfolgt zudem die Umstellung der Mäharbeiten an neun Neuköllner Pfuhlen.
Die einschürige Mahd wird fachgerecht mit Balken-Mähern ausgeführt. Gräser und Kräuter werden abgeschnitten und bleiben sogar eine Zeit als Heu liegen, damit Samen, Insekten und Kleintiere sich weiter verbreiten können.
Die Flächen werden geschont, einkeimblättrige Gräser bekommen im Sommer Konkurrenz durch die zweikeimblättrigen Blühpflanzen, Wiesenkräuter und mehrjährige Wiesenstauden.
Um bei den Mäharbeiten möglichst schonend vorzugehen, werden Flächen gestaffelt nacheinander gemäht, damit Blütenstände und Unterschlupfmöglichkeiten auf den ungemähten Flächen nutzbar bleiben.
Insekten und Blühpflanzen können sich nun sogar generativ vermehren, die Populationen können sich erholen. Für Vögel und für Bienen und Wildbienen gibt es damit auch ein größeres Nahrungsangebot.
Pfuhle bekommen Sonderbehandlung mit „Mulchmahd“
Auch an den Pfuhlen wird ab 2023 die Mahd umgestellt. Zuletzt wurden die Pfuhle zweischürig gemäht, was leider zu einer zunehmenden Artenverarmung der Wiesenflächen führte. Künftig werden Teilflächen an Pfuhlen wechselweise einmal im Jahr gemäht und das Schnittgut liegen gelassen.
Insekten und Kleintiere können so besser überleben, und in die stehengelassene Gras- und Krautflur übersiedeln. Gleichzeitig können die Samen der gemähten Wiese aussamen und so im nächsten Jahr üppiger blühen. Davon wird eine Win-Win Situation für die Artenvielfalt erhofft!
Wiesen – ein Stück Kulturlandschaft
Die Wiesen unserer Kulturlandschaft bilden standortgerechte, naturnahe Pflanzengesellschaften aus, die durch den Einfluss des Menschen entstanden sind und nur durch dessen beständigen Eingriff erhalten bleiben. Vor allem die Häufigkeit und der Zeitpunkt der Mahd (oder Beweidung) und die dazu verwendete Technik beeinflussen die Zahl und Zusammensetzung der Wiesenarten.
Berlin zählt regional zum ostdeutschen Tiefland, hier wird der Artenreichtum von Wiesen durch eine 1-3 malige Mahd pro Jahr gefördert. Werden Wiesen seltener gemäht, geht Pflanzenvielfalt ebenso verloren wie durch Düngung und höhere Schnitthäufigkeiten. — Lediglich störende und verdrängende Pflanzen wie Ambrosia, Beifuß und Goldrute müssen mitunter weiter selektiv gmäht werden, um ihre weitere starke Samenausbreitung zu verhindern.
Extensive und naturnahe Grünanlagen-Pflege
Das Konzept der naturnahen und extensiven Grünflächen- und Landschaftspflege wurde Mitte der achtziger Jahre entwickelt, als die damals existierenden Grünflächenämter in Berlin infolge einer Änderung des Straßengesetzes zu einem harten Sparkurs gezwungen wurden. Die Berliner Bezirke mussten für ihre Grünflächen flächenbezogene Straßenreinigungsentgelte an die BSR zahlen, und verloren so nach und nach ihre einzigartige Stellung als selbstständige Naturschutz- und Grünflächenämter.
Im Bezirk Spandau wurde z.B. der Spektegrünzug nach dem Konzept der extensiven und naturnahen Grünflächenpflege angelegt. Heute wird das Konzept neu entdeckt, weil vor allem Kreiselmäher mit Aufnehmer für das Insektensterben auf Grünflächen verantwortlich sind.