Kolumne: Michael Springer
Auf den ersten Blick ist es eine Erfolgsmeldung:
„Die Mieter_innen von 16 Häusern in fünf Berliner Bezirken sind ab sofort besser vor Verdrängung durch energetische Luxussanierungen und Umwandlung in Wohnungseigentum geschützt, als dies allein nach den gesetzlichen Vorschriften der Fall wäre. Diese Häuser, viele davon in Milieuschutzgebieten, sind Teil eines Paketverkaufs, für die die Käuferin nun eine mit den Bezirken geschlossene Abwendungsvereinbarung unterzeichnete.“
Für die Dauer von 20 Jahren verzichtet die Käuferin Deutsche Wohnen auf die Umwandlung in Wohnungseigentum. Darüber hinaus wird die Käuferin nur solche energetischen Modernisierungen durchführen, zu denen sie entweder gesetzlich verpflichtet ist oder die vom Bezirk allgemein durch Richtlinien zugelassen werden. Neben ihren vertraglichen Verpflichtungen verweist die Käuferin außerdem in einer Anlage zu der Vereinbarung auf ihre freiwillige Selbstverpflichtung gegenüber ihren Mieterinnen und Mietern im Umgang mit Modernisierungsmaßnahmen.
Fünf Berliner BezirkssStadträte zeigten sich in einer gemeinsamen Presseerklärung vom 10.7.2020 erfreut: Florian Schmidt aus Friedrichshain-Kreuzberg, Jörn Oltmann aus Tempelhof-Schöneberg, Jochen Biedermann aus Neukölln, Ephraim Gothe aus Mitte und Rainer Hölmer aus Treptow-Köpenick.
Wie bei Abwendungsvereinbarungen üblich, wurden empfindliche Vertragsstrafen fixiert, die im Falle einer Weiterveräußerung auch von dem Rechtsnachfolger zu beachten sind.
Erheblicher Verhandlungsdruck gegenüber der Deutsche Wohnen
In Berlin sorgen steigende Mieten für einen immer höheren Druck. Im Herbst stehen infolge der Corona-Krise auch viele Mieter vor kaum tilgbaren Mietschulden. Im Fall der 16 Häuser in den Berliner Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Neukölln, Treptow-Köpenick und Tempelhof-Schöneberg wurde gegenüber dem Wohnungsunternehmen Deutsche Wohnen erkennbar Druck aufgebaut, das Vorkaufsrecht wahrzunehmen und auch mit Finanzierungen und Käufen im Paket abzuschließen. Die Senatsverwaltung für Finanzen und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen haben hier zusammen mit den Bezirken Position bezogen. Die Beteiligten können nun einigermaßen zufrieden sein.
Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz: „Der sehr erfreuliche Verhandlungserfolg beweist die Stärke bezirklicher Instrumente im Milieuschutz. Eine Abwendungsvereinbarung umzusetzen, ist das Hauptziel einer solchen Intervention. Sollte sich ein Käufer weigern, die Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen, stehen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften oder andere gemeinwohlorientierte Wohnungsunterneh¬men für die Ausübung von selektiven Vorkaufsrechten bereit. Es ist ein großer Verhandlungserfolg der Bezirke, dass die Abwendungsvereinbarung zudem über einen Zeitraum von 20 Jahren abgeschlossen wurde.“
Sebastian Scheel, Staatssekretär für Wohnen bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sagte dazu: „Durch den gemeinsamen Einsatz aller Beteiligter ist es gelungen, für die 16 Häuser in den Milieuschutzgebieten harte Abwendungsvereinbarungen auszuhandeln und die Deutsche Wohnen so zu verpflichten, die Ziele der Erhaltungsverordnung umzusetzen. Durch den Kauf des Mietshauses in der Waldenserstraße 9 im Bezirk Mitte zugunsten der degewo haben wir erneut klargemacht, dass das Land Berlin bereit ist, das Vorkaufsrecht zu ziehen, um Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung zu schützen. Ich bedanke mich bei allen Akteuren im Senat und bei den Bezirken und vor allem bei den Aktivistinnen der Initiative „23 Häuser sagen Nein“ für ihr engagiertes Handeln.“
Deutsche Wohnen mit Langfristplan
Die Abwendungsvereinbarungen nehmen nun Druck aus dem sozialen Erhaltungsgebieten, auch Milieuschutzgebieten genannt.
Mit dem Abschluss der Abwendungsvereinbarungen bleibt die Deutsche Wohne aber als Investor im Spiel, und muss sich an die Einhaltung der Ziele des sozialen Erhaltungsrechts anpassen. Doch zwanzig Jahre sind für ein Wohnungsunternehmen eine überschaubare Zeit, und entsprechen etwa einem Sanierungszyklus.
Die Deutsche Wohnen kann nun auf einen langfristigen Wertzuwachs bauen, und die natürliche Mieterfluktuation nutzen.
Bei Neuvermietungen und Modernisierungen entstehen Spielräume zur Mietanpassung, wenn künftig vor allem einkommensstarke Neumieter zum Zuge kommen, bei denen die Einkommensgrenze von 30% vom Nettoeinkommen nicht voll ausgeschöpft wird.
Überdies sorgt die 20-Jahres-Frist für langfristige Kalkulierbarkeit und sicheren Wertzuwachs.